Thilo Reimers Rechtsanwalt, Dipl. Volkswirt, Würzburg

Verfestigte Beziehung durch Kegeln und Telefonieren

In einer Familiensache ging es vor dem Oberlandesgericht um Aufstockungsunterhalt.

Die Eheleute trennten sich Ende September 2010. Die Antragsstellerin war zu ihrem neuen Lebensgefährten gezogen bei dem sie seitdem lebt und dem sie den Haushalt führt. Die Beteiligten hatten am 15.06.2000 geheiratet ohne das Kinder aus der Ehe hervorgegangen wären. Sie streiten darum, ob der Unterhaltsanspruch der Antragsstellerin durch Ausbruch aus intakter Ehe verwirkt ist.

Die Antragsstellerin erklärte die Ehe sei bis zur Trennung bereits gescheitert gewesen. Der Ehemann habe sie unter Alkoholeinfluss öfters als „Miststück“ bezeichnet und erklärt „sie solle ausziehen, wenn sie es bei einem anderen besser habe“. Der Ehemann habe eine Freundin der Antragstellerin bei Festen als seine Ehefrau vorgestellt. Er habe sich Gesprächen mit der Erklärung entzogen, wichtige Fernsehsendungen sehen zu müssen. Nach der Rückkehr der Ehefrau aus der Reha im August 2010 habe er gefragt, wieviel Männer sie gehabt und wieviel Geld sie ausgegeben habe.

Das sei eine intakte Ehe, so das OLG. Letztere erfordere nicht, dass sie voll intakt und spannungsfrei sei. Aus den Umständen, dass es Spannungen und Streit gab, könne nicht auf das Scheitern der Ehe geschlossen werden. Diese Ehe sei vielleicht etwas „erodiert“, so im weiteren das OLG.

Gegen eine gescheiterte Ehe spräche auch, dass die Eheleute noch im Sommer mehrfach Geschlechtsverkehr hatten, gemeinsam an einer Maifeier, einem Schützenfest und zwei Geburtstagen von Kindern teilnahmen.

Ist die Frau nun aus intakter Ehe ausgebrochen ? Der Senat erklärt hierzu, dass der Umstand der Zuwendung zu einem neuen Partner noch nicht zu einer Verwirkung des Unterhaltsanspruchs führe. Es entspreche allgemeiner Lebenserfahrung, dass sich ein Ehepartner nicht „einfach so“ aus der einstmals mit allen Erwartungen auf Dauer eingegangenen ehelichen Beziehung loslöst und sich einem anderen Partner zuwendet, sondern das dem eine „Erosion der ehelichen Beziehung“ vorausgegangen ist (OLG Frankfurt NJW RR 1994, S. 456).

Die Antragsstellerin kenne ihren jetzigen Lebensgefährten schon seit einiger Zeit vor der Trennung und hatte Kontakt zu ihm - nach Angaben des Antragsgegner sogar intimen Kontakt. Die Ehe befand sich aus objektiver Sicht schon über einen längeren Zeitraum hin in einer Krise, wobei unentschieden war, ob die Krise überwunden und die Antragsstellerin auch weiterhin beim Antragsgegner bleiben würde oder ob die Krise zu einer Trennung und Zuwendung der Antragsstellerin zu dem neuen Partner führen würde. Der Senat vertritt die Auffassung, dass eine unterhaltsverwirkende „Abkehr“ aus der Ehe allenfalls und erst dann angenommen werden kann, wenn die neue Beziehung einen gewissen Grad der Verfestigung erreicht hat. Allein die Zuwendung zu einem neuen Partner rechtfertigt deshalb noch nicht die Annahme eines offensichtlich schwerwiegenden Fehlverhaltens gegenüber dem Unterhaltspflichtigen.

Mit Ablauf des ersten Trennungsjahres habe sich aber die Beziehung zu der Antragsstellerin zu ihrem neuen Lebensgefährten verfestigt. Nach herrschender Rechtssprechung kann in zeitlicher Hinsicht regelmäßig zwar nicht vor Ablauf von zwei bzw. drei Jahren von einer solchen Verfestigung ausgegangen werden. Im vorliegenden Fall kämen aber weitere Umstände hinzu.

Durch telefonische Kontakte habe sich die Beziehung kontinuierlich vertieft und man habe gemeinsam gekegelt. Auch wenn es - so die Antragsstellerin - noch keine intimen Kontakte gegeben haben sollte, waren sich beide doch bereits derart vertraut geworden, dass die Antragsstellerin direkt nach der Trennung zu ihrem Lebensgefährten gezogen ist, wo sie bis heute mit diesem lebt und ihm den Haushalt führt.

Damit unterscheidet sich der Verlauf dieser Beziehung ganz wesentlich von einer Beziehung die sich erst nach der Trennung allmählich entwickelt, später zur Gründung eines gemeinsamen Haushalts und schließlich ein Ablauf von zwei oder drei Jahren zur Annahme einer verfestigten Lebensgemeinschaft führt.

Deshalb sei schon mit Ablauf des Septembers 2011 der Unterhaltsanspruch im Sinne von § 1361 Abs. 3 i. V. m. § 1579 Nr. 2 BGB verwirkt (Amtsgericht Nordhorn, AZ: 1111219/11 und OLG Oldenburg, AZ: 13 UF 155/11 vom 19.03.2012).

Etwas ketzerisch könnte man dem OLG eine Vierphasentheorie der Ehe unterstellen, nämlich:

Interessant an der Entscheidung ist letztlich der weite Gestaltungsspielraum, den sich der Senat selbst gibt; denn feste Daten, wie intimer Verkehr und Zusammenziehen mit neuem Partner, stellen danach noch keinen Ausbruch aus intakter Ehe dar.