Thilo Reimers Rechtsanwalt, Dipl. Volkswirt, Würzburg

EuGH und Überstunden

EuGH und Überstunden

Eine Gewerkschaft hatte gegen ein Tochterunternehmen der Deutschen Bank geklagt. Der EuGH entschied nunmehr bekanntermaßen, dass die täglichen Arbeitszeiten von Arbeitnehmern umfassend und systematisch festgehalten und bzw. erfasst werden müssen. Im Ausgangsfall waren lediglich Überstunden aufgezeichnet worden. Das genüge nicht, so der EuGH. Damit dürften Arbeitnehmern das Einklagen von Überstunden ab jetzt wesentlich leichter fallen (s. u.).

Die Dokumentationspflicht im spanischen Recht ähnelt dem Pflichtenkatalog des deutschen Rechts. Insoweit ist leider festzustellen, dass die eigentlich festzuhaltenden Überstunden in Deutschland oftmals gerade nicht erfasst werden.

Der EuGH bemühte Art.31 Abs. der EU-Grundrechtekarta. "Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat das Recht auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit, auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten sowie auf bezahlten Jahresurlaub.

Die Grenzen werden dabei von der Arbeitszeitrichtlinie präzisiert, wonach die

– Höchstarbeitszeit maximal durchschnittlich 48 Stunden einschließlich der Überstunden betragen darf,

– Tägliche Mindestruhezeit: von 11 zusammenhängenden Stunden,

– Wöchentliche Mindestruhezeit zusätzlich zur täglichen Mindestruhezeit: von 24 zusammenhängenden Stunden in einem 7-Tagezeitraum

betragen muss.

Entscheidend ist, dass eine sichere Kontrolle laut EuGH nur ein System, das die von jedem Arbeitnehmer geleistete täglich Arbeitszeit messe, dies sicherstellen könne.

Arbeitnehmer als die schwächere Partei, könnten so ihre Rechte gegenüber Arbeitgebern durchsetzen. Dem kann man nur zustimmen.

Die EU-Mitgliedsstaaten müssen deshalb Arbeitgeber gesetzlich zur Arbeitszeiterfassung verpflichten.

Die nationale Regelung darf laut EuGH auf die Besonderheiten von Tätigkeitsbereichen und Eigenheiten von Unternehmen eingehen. Ein Kriterium dabei dürfte die Unternehmensgröße sein.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass diese Entscheidung noch umgesetzt werden muss. Eine Gesetzesänderung soll kommen, ist aber noch nicht "in der Mache".

Allerdings müssen nationale Arbeitsgerichte dieses Urteil bereits jetzt bei ihren Entscheidungen berücksichtigen. Eine anders lautende Rechtssprechung ist abzuändern.

Da die derzeitige Rechtssprechung des BAG den Nachweis von Überstunden schwierig bis extrem schwierig macht, dürfte dies zu einigen Veränderungen führen und den Nachweis von Überstunden deutlich erleichtern. De facto dürfte dies eine Beweislastumkehr darstellen. Denn der Arbeitgeber hat nach dieser Entscheidung die Arbeitszeit zu erfassen. Tut er das nicht, muss nun er nachweisen, dass die erklärten Überstunden nicht geleistet wurden.

Entscheidung des EuGH vom 14.05.19, AZ: C-55/18

Rechtsanwalt Reimers