Thilo Reimers Rechtsanwalt, Dipl. Volkswirt, Würzburg

Insolvenzrecht

Neues Insolvenzrecht, Verbraucherinsolvenzrecht, Restschuldbefreiung

Das neue Verbraucherinsolvenzverfahren wird auf natürliche Personen angewandt und ist auf Personen beschränkt, die keine bzw. nur eine geringfügige wirtschaftlich selbständige Tätigkeit ausüben ( Minderkaufmann § 4 I HGB ).

Das Verfahren ist dreistufig.

Das neue Insolvenzrecht gilt prinzipiell ab dem 01.01.1999. Wegen dem zwingend vorher durchzuführenden außergerichtlichen Einigungsverfahren kann es bereits ab dem 01.07.98 angewandt werden.

Das Verbraucherinsolvenzrecht hat drei Stufen, die nacheinander durchlaufen werden müssen.

I.

Außergerichtliche Schuldenbereinigung:

Der Schuldner hat gem. § 305 I 1 InsO mit Hilfe einer geeigneten Person oder Stelle diesen Versuch vorzunehmen. Geeignete Personen dürften in erster Linie Rechtsanwälte und Notare sein.

In Betracht kommen auch Schuldnerberatungsstellen; da diese Stellen jetzt schon völlig überlaufen sind, werden sie in der Praxis keine allzu große Rolle spielen.

  1. Die Einbindung der geeigneten Person oder Stelle ist zwingend vorgeschrieben.

  2. Dieser Einigungsversuch muß auf Grundlage eines Planes durchgeführt werden. Die Aus- gestaltung des Planes scheint zur Zeit noch relativ frei.

In der Literatur ist derzeit die Problematik des Nullplanes ( an die Gläubiger aus- geschüttete Quote = Null ) höchst umstritten. Derzeit soll sie zulässig sein.

Für den Plan sollten in der Praxis unbedingt taktische Erwägungen berücksichtigt werden.

Zum Zeitpunkt des Planes durchgeführte Zwangsvollstreckungen können lediglich nach § 765 a ZPO abgeblockt werden. Nach der derzeitigen Rechtssprechung des BGH bestehen keine allzu große Erfolgsaussichten; eine Rechtssprechung die dringend reformbe- dürftig ist.

  1. Die geeignete Person oder Stelle, die den Schuldenbereinigungsplan aufgestellt hat, erstellt eine Abschlußbescheinigung für den Schuldner, in der über die Eingungsver- handlungen berichtet wird und die außergerichtlichen Einigungsversuche geschildert werden. Hier liegt es nahe die Gläubiger zu benennen, die eine außergerichtliche Einigung verhindert haben.

II.

Die zweite Stufe des Verfahrens stellt das gerichtliche Insolvenzverfahren dar. Grundsätzlich zuständig ist das Amtsgericht des Schuldnerwohnsitzes. Voraussetzungen für das gerichtliche Insolvenzverfahren sind:

  1. Eine Antragsberechtigung. Der Schuldner selbst kann den Antrag stellen.

  2. Der außergerichtliche Einigungsversuch.

  3. Die Einhaltung der 6-Monatsfrist nach § 305 InsO.

  4. Ein Eröffnungsgrund nach § 16 InsO in der Regel also Zahlungsunfähigkeit. § 18 Insolvenzordnung führt einen neuen Eröffnungsgrund, nämlich die drohende Zahlungsunfähigkeit ein.

  5. Der Schuldner muß die notwendigen Unterlagen beibringen. Hierzu gehören:

a. die sogenannte Abschlußbescheinigung ( siehe oben ) b. der Antrag auf Erteilung einer Restschuldbefreiung c. die Abtretungserklärung: hier sollen alle pfändbaren Einkünfte und Forderungen, die der Schuldner erhält für die Zeit von 7 Jahren nach Aufhebung des Insolvenz- verfahrens an ein vom Gericht zu bestimmenden Treuhänder abgetreten werden.

Wer Treuhänder sein soll ist derzeit noch nicht ganz geklärt. Zu denken ist hierbei an Schöffen und andere Personen. Wegen möglicher Interessenkollission, aber auch wegen des maximal angedachten Gebührensatzes von DM 30,—pro Stunde werden hier kaum Rechtsan- wälte auftreten ( mit einem Stundensatz von DM 30,—kann kein Büro angemietet und Personal bezahlt werden ). Angesichts der Fülle der Funktionen, die der Treuhänder aus- zufüllen hat und der Verantwortung die auf ihm lastet, erscheint ein Stundensatz von DM 30,—verglichen mit dem Stundensatz eines Bauhilfsarbeiters von DM 50,—- DM 60,—, wenig angemessen.

In diesem Zusammenhang überrascht § 114 InsO mit völliger Unsystematik. Danach sollen Abtretungen noch drei Jahre gelten nachdem das Insolvenzverfahren begonnen hat. Stellt man dies rechtskräftigen Titeln gegenüber, die nach dem Beginn des Insolvenzverfahrens nicht mehr durchsetzbar sind, ist diese Regelung unverständlich, zumal sie in der Regel lediglich Banken bevorteilen dürfte. Hierin liegt vielleicht letztlich auch der Grund für diese Regelung.

III.

Das gerichtliche Insolvenzverfahren wird lediglich auf Antrag des Schuldners durchgeführt. Sollte ein Gläubigerantrag vorliegen, was oftmals seitens AOK oder Finanzamt (erfahrungs- gemäß) erfolgt, sollte der Schuldner ebenfalls einen Antrag stellen, um in die Vorzüge des Insolvenzverfahrens zu kommen.

IV.

Nach Antragsstellung ordnet das Gericht gem. § 305 InsO das Ruhen des Verfahrens an. Die verschiedenen Gläubiger werden mit einer Notfrist von 1 Monat zur Stellung- nahme aufgefordert. Sollte seitens der Gläubiger keine Reaktion erfolgen, so gilt Schweigen als Zustimmung.

Die fehlende Gläubigerzustimmung kann durch das Gericht ersetzt werden, dies innerhalb bestimmter gesetzlicher Grenzen.

Erfolgen keine Einwendungen gegen den Schuldenbereinigungsplan ( im weiteren spp ) gilt er gemäß § 308 I 1 InsO als angenommen.

VI.

Scheitert das Verfahrens über den Schuldenbereinigungsplan, kann es zum vereinfachten Insolvenzverfahren kommen. Dieses Verfahren kann mit nur einem Prüfungstermin schriftlich durchgeführt werden.

  1. Nach § 313 I 2 InsO soll der bei Eröffnung des Verfahrens bestellten Treuhänder, nun die Aufgaben eines Insolvenzverwalters übernehmen die gem. § 313 II und III InsO beschränkt sind.

Der Schuldner kann dem Gericht einen Treuhänder vorschlagen, wobei auch Familienange- hörige Treuhänder sein können.

  1. Mit Verfahrenseröffnung kann nicht mehr mit befreiender Wirkung an den Schuldner be- zahlt werden; Zwangsvollstreckungsmaßnahmen sind unzulässig, Miet- und Pachtverhältnisse können vom Treuhänder nach § 109 InsO ohne Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfristen gekündigt werden.

  2. Die Insolvenzmasse wird durch den Treuhänder verwertet und verteilt. Ist ausreichende Masse nicht vorhanden, kann der Treuhänder beantragen, daß von der Verwertung ganz oder teilweise abgesehen wird und der Schuldner an den Treuhänder den entsprechenden Wert bezahlt.

Genügt die verwertbare Masse nicht, um die Verfahrenskosten zu decken, stellt das Insol- venzgericht gem. § 207 I InsO das Verfahren ein. Es kommt dann zu keiner Restschuldbe- freiung.

VII.

Die dritte Stufe des Verfahrens ist die Restschuldbefreiung.

VIII.

Kernstück des neuen Insolvenzrechts und der Reform ist die sogenannte Restschuldbe- freiung, die dritte Stufe des Verfahrens.

  1. Nach Abschluß des Insolvenzverfahrens trifft das Gericht die Entscheidung, ob dem Schuldner Restschuldbefreiung gewährt wird. Hiervor ist eine Anhörung der Gläubiger vorgeschrieben.

  2. Anhörung der Gläubiger: (Zu dem Thema soll dem Schuldner eine 7-jährige Phase mit Restschuldbefreiung gewährt werden ?) Ein wichtiges Kriterium wird das bisherige Verhalten des Schuldners bei Auskünften und Mitwirkung im Verfahren sein.

Gläubiger können den Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung im Anhörungstermin stellen. Sie haben entsprechende Versagungsgründe glaubhaft zu machen.

§ 290 I InsO legt einen Katalog vor, nachdem zwingend bei Antrag eines Gläubigers die Restschuldbefreiung zu versagen ist. Hierzu gehören insbesondere Verletzung von Buch- führungspflichten, Bankrott etc. Interessant ist in diesem Zusammenhang das Verfahren der Konkursverschleppung nach dem GmbHG und Verstöße der Gesellschaftergeschäftsführer gegen das GmbHG, die hier nicht aufgeführt sind.

Selbstverständlich berechtigen grobfahrlässige unrichtige und unvollständige Angaben des Schuldners über seine wirtschaftlichen Verhältnisse, um einen Kredit zu erhalten oder Leistungen aus öffentlichen Mitteln zu beziehen, ebenfalls zur Versagung.

Nichtberechtigen,
sondern Zwingen zur Versagung bei Antragsstellung durch den Gläubiger.

Gleiches gilt für vorsätzliche grobfahrlässige Verletzung von Auskunfts- und Mitwirkungs- pflichten des Schuldners während des Insolvenzverfahrens.

Die Entscheidung des Gerichts zur Restschuldbefreiung kann mit einer Notfrist von 2 Wochen mit sofortiger Beschwerde angegriffen werden.

IX.

An die Entscheidung des Gerichts schließt sich die 7-jährige Wohlverhaltensperiode an.

Im Übergangszeitraum kann diese Periode nur 5 Jahre dauern ( Artikel 107 EG-InsO ), sofern der Schuldner bereits vor dem 01.01.1997 zahlungsunfähig war und er dies glaubhaft machen kann.

  1. Als wichtigstes Kriterium für das Wohlverhalten besteht die Erwerbsobligenheit nach der der Schuldner jede zumutbare Tätigkeit annehmen muß, wobei zumutbar auch Aushilfs- tätigkeiten sind.

Der Schuldner hat beispielsweise nachzuweisen, daß er Anzeigen geschaltet hat; er muß seine Bewerbungen dokumentieren. Letztlich dürfte dies dem gesteigerten Pflichten beim Unterhaltsrecht für den Unterhaltsschuldner entsprechen.

Ein Kindererziehungsjahr - auch für den Mann - ist zulässig, da dies ein gesetzliches zulässiges Verfahren ist.

Derzeit umstritten ist, ob der Schuldner auch dann eine Tätigkeit annehmen muß, wenn die Bezüge aus der neuen Tätigkeit unter den Arbeitslosengeldbezügen der alten Tätig- keit liegen. Da hiermit letztendlich Gläubiger geschädigt würden, gehe ich davon aus, daß dies nicht verlangt werden kann.

Das Verfahren endet mit dem positiven Fall der Restschuldbefreiung, die gegen alle In- solvenzgläubiger, auch solche Gläubiger, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben, gilt.

Wichtig ist, daß beispielsweise die Ehefrau eines Schuldners, die Restschuldbefreiung nicht zu ihren Gunsten anführen kann, so daß bei einem Kredit den Ehefrau und Schuldner abgeschlossen haben, gegen sie vorgegangen werden kann. Im Innenverhältnis kann die Ehefrau nicht gegen den Ehemann vorgehen.

Ähnlich ist es für Bürgen geregelt. Der Bürge haftet nach wie vor und kann im Innen- verhältnis aber nicht gegen den Schuldner vorgehen.