Thilo Reimers Rechtsanwalt, Dipl. Volkswirt, Würzburg

Verschweigen der Schwangerschaft als Lüge (Verlust des Aufenthaltsbestimmungsrechts)

Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf den Vater

Kurzzusammenfassung der Entscheidungen:

Die neun- und elfjährigen Kinder lebten nach der Scheidung bei der Mutter. Der Vater beantragte das Aufenthaltsbestimmungsrecht für sich, damit die Kinder zu ihm umziehen können. In einem ersten Verfahren überreden Richter und Verfahrensbeistand den Vater den Antrag aufzuschieben, weil seine neue Lebensgefährtin hochschwanger und ein Umzug geplant sei. Nach dem Verfahren stellt sich heraus, dass auch die Mutter der Kinder schwanger war und einen Umzug bereits geplant hatte. Ob dieser Täuschung von Gericht und Parteien wird dem Antrag auf Wechsel des Aufenthaltsbestimmungsrecht stattgegeben. Diese Entscheidung wird auch vom OLG Bamberg gehalten. Das Verschweigen der eigenen Schwangerschaft ist auf Dauer schwierig aufrecht zu erhalten - man möchte meinen ein bekanntes Phänomen.

In seiner Entscheidung hat das OLG Bamberg, AZ: 7 UF 298/11 den Wechsel des Aufenthaltsbestimmungsrechts, (ursprünglich Amtsgericht Kitzingen, AZ: 2 F 447/11) bestätigt.

Der Beschluss des Amtsgerichts Kitzingen lautet:

  1. Im Wege der einstweiligen Anordnung wird das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die gemeinsamen Kinder M. und C. dem Antragssteller übertragen.

  2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.

  3. Der Verfahrenswert wird auf €  1.500,—festgelegt.

Begründung:

Die Ehe der beteiligten Eltern wurde am ........... geschieden. Seit der Trennung der Eltern leben die gemeinsamen minderjährigen Kinder M. geb. Juli 2000 und C. geb. Sept. 2002 bei der Antragsgegnerin. Im Rahmen des Verfahrens AZ: 2 F 120/06 wegen elterlicher Sorge erklärte sich der Antragssteller einverstanden, dass die Kinder bei der Antragsgegnerin wohnen. Die elterliche Sorge für die Kinder wollen sie weiterhin gemeinsam ausüben. Der Antragssteller hat regelmäßigen Umgang mit den Kindern. In der Vergangenheit gab es immer wieder Konflikte zwischen den Eltern, die zum Teil auch vor den Kindern ausgetragen wurden und die schließlich zu mehreren gerichtlichen Verfahren führten.

                                I.

Im Verfahren AZ: 2 F 334/11 beantragte der Antragssteller ihm das Aufenthaltsbestimungsrecht für die Kinder zu übertragen, wobei er sich insbesondere auf den ausdrücklichen Wunsch der Kinder berief… Das Kreisjugendamt Kitzingen
hatte sich bereits am 01.08.11 schriftlich geäußert. Es bestätigte darin den klaren und seit längerem bestehenden Wunsch des Sohnes zum Vater zu wechseln… Am 09.08.11 fand ein Anhörungstermin statt, in dem der Antrag des Antragsstellers umfassend und ausführlich erörtert wurde. Auch die beiden Kinder wurden im Beisein des Verfahrensbeistands gehört. Hierbei zeigte sich, dass M. mit Nachdruck darauf drängte beim Vater wohnen zu dürfen, während dieser Wunsch bei C. nicht so ausgeprägt war. Bei ihr stand aber eindeutig im Vordergrund, dass sie auf jeden Fall mit ihrem Bruder M. zusammen sein wollte, wobei die Frage, bei wem sich beide aufhalten sollten, eindeutig im Hintergrund stand. Auch M. wollte nicht von C. getrennt werden. Beide Kinder betonen damals, dass es ihnen bei beiden Elternteilen gut gehe und das sie auch mit den jeweils neuen Partnern der Eltern gut zurecht kämen. Seinen Wunsch zum Vater zu ziehen konnte M. nicht im Einzelnen begründen. Dieser Wunsch sei einfach seit langem da. Dass M. ganz besonders am Vater hänge, bestätigte letztlich auch die Mutter.

Der Verfahrensbeistand empfahl damals, den Wunsch M. um Vater wechseln zu wollen und den C. auf jeden Fall bei dem Bruder bleiben zu wollen, ernst zu nehmen. Sowohl der Verfahrensbeistand als auch das Gericht hielten es aber für günstiger den Wechsel erst zu einem späteren Zeitpunkt vorzunehmen, da beim Antragssteller - wie er selbst angab - für das darauffolgende Wochenende der Umzug anstand und für Ende September die Geburt des ersten gemeinsamen Kindes mit seiner neuen Partnerin erwartet wurde. Der Aufschub des Wechsels zum Vater mit dieser Begründung war auch für die Kinder, insbesondere auch für M. nachvollziehbar. Während des gesamten Termins am 09.08.11 war eindeutig und klar, dass sowohl der Verfahrensbeistand als auch das Gericht den Wechsel der Kinder zum Vater befürworteten, aber lediglich im Hinblick auf die nahen Veränderungen im persönlichen Bereich des Antragsstellers die Meinung vertraten, ein späterer Wechsel sei zu bevorzugen. Dabei gingen sowohl das Gericht als auch der Verfahrensbeistand davon aus, dass es auf Seiten der Antragsgegnerin in absehbarer Zeit keine besonderen Veränderungen der gegenwärtigen Situation geben werde. Die Antragsgegnerin deutete jedenfalls nichts dergleichen an. Das Verfahren wurde übereinstimmend für erledigt erklärt.

                    II.

Mit Schriftsatz vom 05.09.11 beantragte der Antragssteller im Wege der einstweiligen Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht für beide Kinder auf ihn zu übertragen. Begründet wird dieser neuerliche Antrag im Wesentlichen damit, dass M. dem Antragssteller am 02.09.11 mitgeteilt habe, dass die Antragsgegnerin schwanger sei und das sie plane, mit ihrem Lebensgefährten umzuziehen. Der Antragssteller ist der Auffassung, die Argumentation des Gerichts im Termin vom 09.08.11 sei dadurch hinfällig geworden…

Die Antragsgegnerin wendet sich gegen diesen Antrag und verweist darauf, dass es noch völlig unklar sei, dass sie das Kind austragen könne, da ihr bei Bekanntgabe der Schwangerschaft erklärt worden sei, dass sie aus medizinischer Sicht das Kind möglicherweise nicht austragen könne. Der Umzug sei relativ kurzfristig entschieden worden ( wird weiter ausgeführt ).

Eine Einigung der beteiligten Eltern ließ sich im Termin nicht erzielen. Die Antragsgegnerin ist nicht bereit, einen Umzug der beiden Kinder zum Antragssteller zuzustimmen. Ihr fehlt letztlich jegliches Verständnis für den neuen Antrag. Dass sie sich entgegen ihrer Zusage im Vorverfahren doch nicht bei der Erziehungsberatungsstelle zu dem Kurs „Kinder im Blick“ angemeldet habe, erklärt die Antragsgegnerin damit, dass es doch nun zwischen ihr und dem Antragssteller besser klappe.

In der erneuten Anhörung durch den Richter blieben die Kinder bei ihren früheren Positionen…

Der Vertreter des Kreisjugendamts und der Verfahrensbeistand haben ihre Stellungnahmen nachgereicht.

Der Antrag des Antragsstellers ist zulässig und begründet.

                    III.

Dass die Antragsgegnerin den Antragssteller attackiert, weil er es gewagt hat, so kurz nach dem letzten Termin einen neuen Antrag auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts zu stellen und ihm vorwirft, es sei fast unzumutbar, dass er seinen Kindern abverlange, innerhalb von sechs Wochen erneut von Jugendamt, Verfahrensbeistand und Gericht angehört zu werden, zeigt, dass sie nicht damit gerechnet hat, dass ihr Kalkül nicht aufgehen könne. Es war völlig klar, dass das Gericht einzig und allein deshalb dem Antragssteller im Vorverfahren AZ: 2 F 334/11 zuriet zunächst den Umzug und die Geburt des weiteren Kindes abzuwarten, weil es auf der anderen Seite davon ausging, dass es bei der Antragsgegnerin in nächster Zeit keine tiefgreifenden Veränderungen stattfinden würden. Durch das Verschweigen ihrer eigenen Schwangerschaft hat die Antragsgegnerin bewusst veranlasst, dass das Gericht und auch das Jugendamt und der Verfahrensbeistand bei ihrern Äußerungen von falschen Tatsachen ausgingen. Wäre die Schwangerschaft der Antragsgegnerin damals bekannt gewesen, hätte die Abwägung des Für und Wider eines alsbaldigen Wechsels ganz anders ausfallen müssen. So aber war es letztlich relativ einfach, sowohl den Antragssteller als auch die Kinder zu überzeugen, dass es besser sei, den Wechsel zu verschieben. Die Antragsgegnerin hat als das Verschweigen ihrer Schwangerschaft bewusst eingesetzt, um einen Vorteil für sich herauszuholen. In diesem Zusammenhang rügt der Antragssteller völlig zu Recht, das dieses Verhalten der Mutter ein denkbares schlechtes Beispiel für die Kinder ist. Es ist nachvollziehbar, dass der Antragssteller unter diesen Umständen den neuen Antrag gestellt hat. Nicht dem Antragssteller ist der Vorwurf zu machen, dass er nur wenige Wochen nach dem Termin erneut die Anhörung der Kinder durch Jugendamt verursacht hat, sondern die Antragsgegnerin muss sich diesen Vorwurf gefallen lassen. Hätte sie im Termin am 09.08.11 wahrheitsgemäß ihre Schwangerschaft offenbart, wäre dieses neue Verfahren nicht entstanden. Sollte die Antragsgegnerin gehofft haben, der Antragssteller werde ihr unseriöses Verhalten einfach hinnehmen, dann hat sie sich eben getäuscht. Aber auch die Kinder - insbesondere M. - hätten sich getäuscht fühlen müssen, denn ihnen gegenüber hat das Gericht deutlich gemacht, dass der Aufschub der Übersiedlung zum Vater durch die Schwangerschaft seiner Lebensgefährtin und durch den anstehenden Umzug bedingt sei. Das Gericht hatte diesen Punkt i. ü. bei der Anhörung der Kinder bewusst nicht vertieft, um hier nicht unnötig die Beziehung zur Mutter zu belasten. Die Gründe die die Antragsgegnerin für das Verschweigen der Schwangerschaft angibt, sind äußerst fadenscheinig. Bei dem zu erwartenden Entbindungstermin 07.01.12 befand sich die Antragsgegnerin beim Termin am 09.08.11 bereits in der 16. oder 17. Woche ihrer Schwangerschaft. Das bedeutet, dass ein Schwangerschaftsabbruch schon längst nicht mehr in Betracht kam ( § 218a Abs. 1 Nr. 3 StGB ). Es gab keinen vernünftigen Grund im Termin die Schwangerschaft zu verscheigen.

Nach Abwägung aller Umstände kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass dem Antrag des Antragsstellers stattzugeben ist. Das Gericht hatte im Vorverfahren durchaus den Eindruck, die Mutter könne es fertig bringen, schließlich einem Wechsel zum Vater zuzustimmen. In diesem Verafhren nun zeigte sie sich aber in keiner Weise bereit auf M`s. Wunsch irgendwie einzugehen. Dieser Wunsch wird einfach als Wunsch eines kleinen Kindes abgetan, dass noch keine derartigen Entscheidungen treffen könne. Da s Gericht weist in diesem Zusammenhang noch einmal ausdrücklich darauf hin, dass es ureigenste Aufgabe der Eltern ist, über den Aufenthalt der Kinder zu entscheiden. Wünsche der Kinder sind hierbei durchaus ein Kriterium, das in den Entscheidungsprozess einfließen sollte, zumal wenn diese Wünsch nachhaltig sind…

Das Gericht weist ausdrücklich darauf hin, dass es den Kindern bei den Antragsgegnerin gut geht. Beide Kinder haben sich auch in den Anhörungen nie über die Mutter beklagt, insbesonders betont es, dass M. seinen Wunsch zum Vater zu ziehen, nie dadurch Nachdruck verliehen wollte, dass er Schlechtes über die Mutter geäußert hätte. Die Kinder haben andererseits auch nicht den Vater glorifiziert. Es besteht einfach, insbesondere bei M. der ausgeprägte Wunsch, nachdem er Jahre lang bei der Mutter gelebt hat, nun zum Vater ziehen zu dürfen, zu dem er sich besonders hingezogen fühlt, ohne dies im Einzelnen begründen zu können… Gleiches gilt für C., für die eindeutig im Vordergrund steht, dass sie nicht von ihrem Bruder M. getrennt werden will. Sehr erfreulich ist, dass beide Kinder betonen, dass sie mit dem jeweiligen neuen Partner ihrer Eltern gut zurecht kommen.

                    IV.

Entscheidung des OLG Bamberg, AZ: 7 UF 298/11

Der gem. § 55 FamFG zulässige Antrag ist unbegründet. Aus der Beschwerdebegründung ergeben sich keine ausreichenden Anhaltspunkte, dass die vorgenommene Übertragung des Aufenthaltsbestimmungs dem Wohl der Kinder widerspricht. Vielmehr gilt es, mehrfache Wechsel von unmittebaren Bezugspersonen und Wohnumfeld der Kinder zu vermeiden ( Bundesverfassungsgericht ff. 2011,488 ). Ein solcher Wechsel würde eintreten, wenn die Kinder zunächst wieder zur Antragsgegnerin zurückkehren, nach Erlass der Beschwerdeentscheidung voraussichtlich aber erneut zum Antragssteller wechseln würden.

Weiter wird ausgeführt: Die Rechtsgrundlage für die Übertragung eines Teils der elterlichen Sorge bei Getrenntleben folgt auf § 1671 Abs. 2 Nr. 2, wonach einem Antrag auf Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge stattzugeben ist, soweit zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragssteller dem Wohl der Kinder am besten entspricht. Insoweit sind gewichtige Gesichtspunkte des Kindeswohls, die Erziehungseignung der Eltern, die Bindung der Kinder, die Prinzipien der Förderung und der Kontinuität sowie die Beachtung des Kindeswillens ( BGH FamRZ 2010, S. 1060 ). Es ist nicht zu beanstanden, dass das Erstgericht im Verfahren der einstweiligen Anordnung nach Anhörung beider Kinder, Einholung der Stellungnahmen des Verfahrensbeistands und des Mitarbeiters des Kreisjugendamts sowie Anhörung der beteiligten Kindeseltern dem seit langem gehegten Wunsch des Sohnes und den Empfehlungen des Verfahrensbeistands und des Jugendamts folgend, das Aufenthaltsbestimmungsrechts für den Sohn auf den Antragssteller übertragen hat. Gegen die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für die Tochter auf den Antragssteller sprechen ebenfalls keine durchgreifenden Bedenken. Zwar ist, wie der Verfahrensbeistand in seinem Bericht ausgeführt hat, mit diesem Wechsel zunächst ein gewisses Risiko hinsichtlich der schulischen Situation verbunden gewesen, jedoch hat sich die Tochter unmissverständlich auch in Kenntnis des Wunsches ihres Bruders dafür ausgesprochen, bei diesem bleiben zu wollen, auch wenn sie sich bei beiden Elternteilen gleichermaßen wohl fühle.

Dass der Wechsel der Kinder zum Antragssteller für die Antragsgegnerin belastend ist, ist selbstverständlich, aber nicht entscheidend, weil es nach den gesetzlichen Vorgaben auf das Kindeswohl ankommt. Zudem belastet die Entscheidung über das Aufenthaltsbestimmungsrechts unvermeidbar einen Elternteil, wenn beide Eltern die Kinder bei sich haben wollen und sich deshalb nicht auf einen Aufenthaltsort einigen können. Gegen die vom Erstgericht betroffene einstweilige Anordnung spricht schließlich auch nicht der Umstand, dass der Sohn im Beisein seiner älterer Cousine im Schützenhaus mit dem Luftgewehr schießen durfte. Eine konkrete Gefährdung für den Sohn ergibt sich aus der vorgelegten eidesstattlichen Erklärung nicht. Soweit die Antragsgegnerin wegen der Ausübung des Schießsports durch den Sohn Bedenken hat, könnte dies im Hauptsacheverfahren im Rahmen einer Sachverständigenbegutachtung abgeklärt werden. Entsprechendes gilt für die schulischen Belange der Tochter und die Wohnverhältnisse beim Antragsgegner. Aktuell sind keine gravierenden Beeinträchtigungen für das Kindeswohl festzustellen. Aus dem Bericht des Kreisjugendamtes ergibt sich, dass sich die Kinder bei dem Antragssteller gut eingelebt haben und die schulische Situation befriedigend ist.

Das Erstgericht hat zu Recht auch ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden angenommen ( wird weiter ausgeführt ).

Wegen des insoweit bestehenden Interesses der Kinder nicht mehrfach umziehen zu müssen, war die Entscheidung des Erstgerichts auch unabhängig davon veranlasst, aus welchen Beweggründen die Antragsgegnerin ihre Schwangerschaft bei der letzten Anhörung im Vorverfahren verschwiegen hatte.

                    V.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des erfolglosen Beschwerdeverfahrens zu tragen, § 84 FamFG.