Thilo Reimers Rechtsanwalt, Dipl. Volkswirt, Würzburg

Schamanisches

Auf eine Nachfrage meines Mandanten wegen Impressumspflichten hin, lief mir folgender Fall über den Weg.

Das OLG Köln hat in einer ganz frischen Entscheidung vom 21.11.2012 ( AZ: 16 U 80/12 ) zu der Haftung des Betreibers einer Internetseite entschieden. Dem lag folgender Fall zugrunde:

Die Klägerin leidet an unheilbaren Zungenkrebs. In ihrer verständlichen Verzweiflung las sie die Internetseite schamanik-way.de. Dort wurden die Möglichkeiten einer schamanischen Heilbehandlung mit Pflanzen und Säften aufgezeigt. Der Schamane, Schwiegervater des Seitenbetreibers betrieb in Peru ein Camp ( eher ein boot camp ). Schließlich unterzeichnete die Klägerin mit ihrem Ehemann ein Anmeldeformular des Schamanen und flog nach Bezahlung nach Lima.

Die Verhältnisse im Camp entsprachen nicht ganz mitteleuropäischen Standards. Es gab haufenweise Moskitos und Termiten, die störten. Ein Kraftplatz befand sich im nahegelegen Fluss. Dort konnte aber keine Kraft getankt werden, weil der Fluss piranhaverseucht war.

Nun liegt Peru in Südamerika und die Haftbarmachung von peruanischen Schamanen gestaltet sich im Diesseits schwierig. Vergleichsweise einfach ist dagegen der Blick ins Impressum des Internetseitenbetreibers. Dieser Logik folgend wurde der dann auf Zahlung von knapp € 20.000,-- ( Reisekosten, Unterbringungskosten, etc. ) verklagt.

Die im Impressum genannte Person ist aber nicht automatisch Reiseleiter oder Reiseveranstalter. Sie ist lediglich für die Internetseite verantwortlich.

Denkbar wäre ein stillschweigend geschlossener Auskunftsvertrag. Dann muss für eine Haftung aber eine besonderes Vertrauen in Anspruch genommen worden sein. Daran mag man angesichts der Lage der Klägerin denken.

Der Betreiber der Internetseite profitierte aber nicht vom Reisepreis; das war der Schamane in Peru. Da zudem eine verwandtschaftliche Beziehung zwischen dem Schwiegervater und dem Betreiber der Seite bestand, musste die Klägerin eigentlich davon ausgehen, dass der Beklagte nicht neutral und objektiv war - er war ja schließlich verwandt. Offensichtlich geht der Senat ( richtigerweise ) davon aus, dass Verwandte auch mal füreinander lügen und dass das jeder weiß.

Auch ein Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 i.v.m. § 263 StGB wurde zu recht verneint. Zwar tut sich das Gericht hier schwer. Letztlich dürfte aber klar sein, dass die Behandlung durch Pflanzen oder rituelle Behandlungen ungeeignet waren. Das mag der eine oder andere als Betrug sehen. Letztlich muss man aber nach dem Stand der Schulmedizin davon ausgehen, dass die Heilung durch Pflanzen, Kräuter und spirituelle Handlung des Oberschamanen objektiv unmöglich war. Es mag sein, dass beide Parteien hier andere „Fehl“-Vorstellungen hatten. Damit scheidet aber meines Erachtens nach ein Betrug aus, weil keine „Fehl“-Vorstellung der Klägerin durch die Beklagte ausgelöst wurde. Die bestand schon.

Profitiert hat im Ergebnis der Oberschamane. Damit hat sich eigentlich seit Jahrtausenden wenig geändert, nur dass das Federkleid mit weißen Kitteln getauscht wurde (et vice versa)...