Thilo Reimers Rechtsanwalt, Dipl. Volkswirt, Würzburg

Gewerberegister als Masche

Immer wieder versuchen Firmen mit Gewerbe(melde)registern Geld zu verdienen - nach der einen Ansicht in betrügerischer Manier, nach der anderen Ansicht eben nicht.

Die Masche ist Folgende:

Der Gewerbetreibende bekommt ein amtlich wirkendes Schreiben eines Gewerbemelderegisters. Das ganze wirkt so, als ob entweder das Handelsregister sich meldet oder die Stadt oder der Landkreis, bei dem das Gewerbe anzumelden ist. Meistens geht es angeblich darum schon bestehende Daten auf den neuesten Stand zu bringen und zu bestätigen.

Irgendwo im Kleingedruckten findet sich dann ein Hinweis auf einen Zweijahresvertrag mit einem Volumen von etwa € 1.200,--.

Irgendwann stellt der Gewerbetreibende/Freiberufler fest, wem er da "auf dem Leim" gegangen ist. Dann wird entweder nicht bezahlt oder eben darum gestritten.

Die Masche existiert mindestens seit meinem Studiumbeginn und das ist verdammt lange her. In für mich nicht nachvollziehbarer Weise haben Gerichte diese Praxis oftmals zivilrechtlich gehalten; trotz zahlreicher Anzeigen ist kaum eine Staatsanwaltschaft der Sache nachgegangen.

Nunmehr gab es -endlich- mehrere anders lautende Urteile, letztmals das Amtsgericht Bonn vom 23.06.15, AZ: 109 C 348/14, bei dem ein Verlag für virtuelle Dienste das elektronische Branchenverzeichnis Gewerbe ... de führt und für den Eintrag € 589,05 bei einer Laufzeit von 12 Monaten verlangt.

Ein "Eintrag" erfolgte. Für den Gewerbetreibenden ist dies in aller Regel vollständig sinnlos, weil beispielsweise eine Suchmaschine wie goggle, Yahoo oder duckduckgo diesen Eintrag erst nach allen möglichen anderen Einträgen finden wird - wenn überhaupt.

Nachdem der Verlag mahnte, wies der Gewerbetreibende die Forderung zurück und erklärte hilfsweise die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung. Weiter erklärte er die Aufrechnung mit einem behaupteten Schadensersatzanspruch vor dem Hintergrund eines unerbetenen Werbeanrufs, einem sog. cold call.

Seit geraumer Zeit sind Telefonanrufe ohne vorherige Vereinbarung unzulässig. Dies sind sog. cold calls.

Das Amtsgericht wies den Anspruch des Verlages mit der rechtsvernichtenden Einwendung des dolo agit qui petit quod statim redditurus est nach §242 BGB zurück. Das dürfte selten sein. §242 BGB ist für Amtsgerichte ein vergleichsweise rotes Tuch. Gleichwohl griff hier das Gericht dazu und erklärte, dass zumindest ein vor dem Bestehen der klägerischen Forderung abhängiger gegenläufiger Schadensersatzanspruch in gleicher Höhe aus §823 Abs. 1 BGB bestehe, denn der Verlag habe den Gewerbetreibenden in seinem eingerichteten ausgeübten Gewerbebetrieb verletzt, indem er ohne Veranlassung anrief (cold call). Diese Rechtsgutverletzung setze sich dann in dem Vertragsschluss fort, so dass der Gewerbetreibende einen Schadensersatzanspruch habe. Der Eingriff in dem Gewerbebetrieb liege hier vor, weil unverlangt erfolgenden Werbeanrufe regelmäßig den Betriebsablauf eines Unternehmens störe. Es sei damit ein zusätzlicher Arbeitsaufwand verbunden. Im Hinblick auf die billige, schnelle und durch Automatisierung sowie Call-Center-Betriebe arbeitssparende Aquisemöglichkeit sei ohne Einschränkung des "cold callings" mit einem immer weiteren Umsichgreifen dieser Werbeart zu rechnen. Auch nach BGH bestehe die Gefahr für den Gewerbetreibenden in seinem Geschäftsbetrieb durch eine Vielzahl ähnlicher Telefonanrufe empfindlich gestört zu werden (BGH vom 20.09.2007, AZ: 1 ZR 88/05).

Der Eingriff sei auch rechtswidrig, da eine insoweit erforderliche Abwägung zu Lasten des Verlages ausgehe. Nach §7 Abs. 2 Nr. UWG stellt jede Werbung gegenüber einem Nichtverbraucher ohne dessen zumindest mutmaßliche Einwilligung eine zumutbare Belästigung dar.

Im Weiteren wird in der Regel dann darum gestritten, ob eine mutmaßliche Einwilligung zum cold call vorliege. Das ist dann der Fall, wenn der Werbende annehmen darf, dass der Angerufene einem solchen Anruf gegenüber aufgeschlossen sei. Dabei ist zu fragen, ob ein konkreter aus dem Interessenbereich des Angerufenen herzuleitender Grund vorliegen kann. Das bezieht sich sowohl auf die Art der Werbung, nämlich den Telefonanruf, als auch den Inhalt der Werbung. Wenn es um die Eintragung in ein Verzeichnis oder eine Suchmaschine geht, könne kein Interesse bestehen - so das Amtsgericht - weil gerade bei konkurrierenden Verzeichnissen von jeweils geringer Marktgeltung (sic!) ein Werbeanruf in aller Regel unerwünscht sei.

Das ist doch dann mal hocherfreulich, denn das entspricht genau den Tatsachen.

Elektronische Verzeichnisse mit Ausnahme der bekannten Suchmaschinen haben keinerlei Marktgeltung. Wäre das anders, würden sie nicht im Gewand von öffentlich-rechtlichen Trägern erscheinen müssen sondern offen als eigenständige Verzeichnisse agieren.

Rechtsanwalt Reimers